Kündigung bei gleichzeitiger Freistellung unter Anrechnung der Urlaubstage

Ein Arbeitgeber gewährt durch eine Freistellungserklärung für den Zeitraum nach dem Zugang einer fristlosen und hilfsweise ordentlichen Kündigung nur dann für den Fall der unwirksamen fristlosen Kündigung wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt. Weiter muss die Freistellung im Regelfall auch unwiderruflich erfolgen. Deshalb gewährt nach der neuen Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ein Arbeitgeber durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben wohl nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs (und damit regelmäßig zu Anfang der Freistellung) auszahlt oder vorbehaltlos zusagt. Im anderen Fall liegt wohl nach der neuen Ansicht des Bundesarbeitsgerichts keine wirksame Urlaubsgewährung vor. In Ermangelung wirksamer Urlaubsgewährung kann der Arbeitnehmer damit nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Urlaubsabgeltung verlangen.

Abgeltung des Urlaubsanspruches bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

§ 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) sieht vor, dass wenn

der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, er abzugelten ist.

Klartext:

Überschreitet die Anzahl an Urlaubstagen die noch verbleibenden Arbeitstage, so ist der Urlaub abzugelten. Der Abgeltungsanspruch besteht dann, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden kann. Bei anderen Gründen die zu einem Verlust des Urlaubsanspruchs führen, besteht keine Abgeltungspflicht.

§ 11 Abs. 2 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) sieht vor, dass das

Urlaubsentgelt vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen ist.

Klartext:

Eine Vorschrift, die häufig in der Praxis keine Beachtung findet. Urlaubsentgelt ist vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen, nicht bspw. am regulären Fälligkeitstag des Arbeitsgehalts.

Von beiden Vorschriften kann gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 BUrlG individualvertraglich (arbeitsvertraglich) nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden.

Oftmals besteht für den Arbeitgeber ein Interesse daran, den Arbeitnehmer bei einer ausgesprochenen Kündigung nicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiter im Betrieb einzusetzen sondern ihn von der Arbeitspflicht unwiderruflich freizustellen und gleichzeitig, um einer Abgeltung des Urlaubsanspruches zu entgehen, durch die Freistellung den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen (Unwiderrufliche Freistellung unter Anrechnung des verbleibenden Urlaubsanspruches). Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nun mit Urteil vom 10.02.2015, Az.: 9 AZR 455/13 weiter konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen die Freistellung unter Anrechnung der noch verbleibenden Urlaubstage möglich ist. Die in Frage stehende, vom BAG als unwirksam erachtete Klausel hatte folgenden Wortlaut: "... Sie mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung Ihrer Arbeitsleistung freigestellt". Beachtlich ist hierbei, dass sich das BAG hier zu einer Frage äußert, die im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich war.

Einseitige Freistellung durch den Arbeitgeber - wann ist diese möglich

Der Arbeitgeber kann einen Arbeitnehmer auch dann nicht einfach einseitig freistellen, wenn er das Gehalt fortzahlt. Der Arbeitnehmer hat nach der Rechtsprechung des BAG's einen Anspruch auf Beschäftigung gegenüber seinem Arbeitgeber. Das Persönlich­keits­recht des Ar­beit­neh­mers aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gesteht dem Ar­beit­neh­mer das Recht zu, sich auch an sei­nem Ar­beits­platz ent­fal­ten und ent­wi­ckeln zu können. Sofern keine einvernehmliche Lösung über eine Freistellung erzielt werden kann, ist nur dann von einer wirksamen, einseitigen Freistellung auszugehen, wenn wenn das In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an ei­ner Su­s­pen­die­rung der Arbeitspflicht das In­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers an ei­ner ver­trags­gemäßen Beschäfti­gung über­wiegt. Im Regelfall ist eine Freistellung möglich, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt wurde (BAG, Urt. v. 28.01.1982, Az. 6 AZR 571/79;   Urt. v. 08.03.1984, 6 AZR 600/82).

Wie sollte eine Freistellung erklärt werden

Im Lichte der Rechtsprechung des BAG (exemplarisch: BAG Urteil vom 16.7.2013, 9 AZR 50/12) sollte die Freistellung unwiderruflich erklärt werden. Wenn eine Anrechnung von Urlaubsansprüchen gewollt ist, so sollte dies ausdrücklich seitens des Arbeitgebers erklärt werden. Weiter ist, nach der neuen Rechtsprechung des BAG's, in der Freistellungserklärung darauf hinzuweisen, dass diese unter Gewährung des Urlaubsentgelts erfolgt. Dies entspricht dem einheitlich-zweigliedrigen Urlaubsbegriff des Europäischen Gerichtshof ("Doppelschlag" aus Freistellungs- und Entgeltkomponente). Das BAG hat sich dieser Rechtsprechung nun weiter angeschlossen. Deshalb gewährt ein Arbeitgeber durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt. Auch ist, sofern die Kündigungsfrist jahresübergreifend läuft, im Sinne der Rechtsprechung des BAG - Urteil des 9. Senats vom 17.5.2011 - 9 AZR 189/10 darauf zu achten, dass festgelegt wird welcher Urlaubsanspruch wann eingebracht werden soll.

Können Unsicherheiten über eventuell noch bestehende Urlaubsansprüche im Prozess beseitigt werden

Nach der Rechtsprechung des BAG's mit Urteil vom 14.5.2013, 9 AZR 844/11 sind nun bei Vergleichsabschlüssen regelmäßig auch Urlaubsabgeltungsansprüche mit erfasst. Das BAG hat seine Surrogatstheorie im Hinblick auf den Urlaubsabgeltungsanspruch aufgegeben. Anzuraten ist daher, folgende Formulierung in einen Vergleich mit aufzunehmen:

Mit dem vorliegenden Vergleich sind wechselseitig alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt